03.11.2003 - Reformen statt Kahlschlag: Protestbeflaggung am Neusser Rathaus

Mit einer konzertierten Protestaktion demon¬strieren die deutschen Städte in dieser Woche gegen ihre schlimmste finanzielle Krise seit Gründung der Bundesrepublik.

Bürgermeister Herbert Napp befestigte am Montagvormittag, 3. November 2003, eigenhändig eine drei Meter lange schwarzweisse Fahne am Balkon des Rathauses mit der Losung "Städte in Not - Reformen statt Kahlschlag". Mit der Aktion wollen Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeindebund, die diese Aktion Hand in Hand geplant haben, die Öffentlichkeit wachrütteln und Druck auf den Gesetzgeber ausüben. Der Bundesrat beschäftigt sich am 7. November mit einer für die Lebensfähigkeit der Kommunen wichtigen Entscheidung: der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, für die in Zukunft der Bund zuständig sein soll. Darüber hinaus wird eine Reform der Gemeindefinanzierung gefordert, die die Städte wieder in die Lage versetzen soll, ihre Aufgaben als unterste aber für den Staat wichtigste Selbstverwaltungseinheit zu erfüllen. In der Tat haben die Kommunen in den letzten Jahren nichts zu lachen gehabt. Obwohl sie seit Anfang der 90er Jahre ein Sparprogramm fahren, ist die Lücke im Stadtsäckel der Kämmerer immer größer geworden. In vielen Städten hat das schon zur Schließung von öffentlichen Einrichtungen, wie Schwimmbädern und Kindergärten, geführt. Durch einen rigiden Sparkurs konnten solche Entwicklungen in Neuss bisher vermieden werden. Die Zahlen sprechen aber für sich. Die Belastung der Stadt Neuss bei der Sozialhilfe ist allein in den letzten zehn Jahren um 54 Prozent gestiegen. Bei den Zuschüssen für Kindergärten ist die Steigerungsrate noch drastischer: Sie beträgt 139 Prozent. Der Grund für die erste Steigerungsrate ist die schlechte wirtschaftliche Entwicklung und der Anstieg der Zahl der Sozialhilfeempfänger. "Grundsätzlich halte ich die Zusammenführung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe für vernünftig", so Napp. Die Aufgabe müsse aber beim Bund angesiedelt sein. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, hatte ausgerechnet, daß die Kommunen bei der Übernahme dieser Aufgabe über zwei Millionen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen müssten. Ein Umstand, der die Kommunen in noch größere Schwierigkeiten stürzen würde.Der Grund für die immense Steigerung der Kindergartenzuschüsse liegt im Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. "Gegen diesen Rechtsanspruch ist ebenfalls nichts einzuwenden," verdeutlicht der Neusser Bürgermeister seine Position "Er ist aber ein schönes Beispiel dafür, daß im Bundestag gesetzliche Änderungen verabschiedet werden und die Kosten haben vor Ort die Kommunen zu tragen, ohne entsprechende Mittel für diese zusätzlichen Aufgaben zu erhalten". Das, so Napp, treffe auch auf Landesgesetzgebungen zu. Der Neusser Bürgermeister steht fest hinter der Forderung, das sogenannte Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz aufzunehmen. Will heißen: Wer bestellt, bezahlt!Die wichtigste Einnahmequelle für die Städte ist die Gewerbesteuer. Da sie landauf landab aufgrund der wirtschaftlichen Rezession nicht mehr so munter sprudelt, sind viele Städte in eine erhebliche Schieflage geraten. Die Gewerbesteuereform ist deshalb eines der vorrangigsten Ziele. Dabei sollen vor allem die großen Kapitalgesellschaften wieder angemessen an der Finanzierung der städtischen Aufgaben beteiligt werden. Dies ist eine Forderung im sogenannten Berliner Appell der deutschen Städte und Gemeinden vom 24. September.Auch die weiteren Punkte für eine moderne Gewerbesteuer haben die Städte klar formuliert: Das Bindeglied zwischen Wirtschaft und Kommunen muss erhalten bleiben. Alle Wirtschaftseinheiten müssen sich an der Finanzierung ihrer Standort-gemeinde beteiligen Die Finanzierungslasten dürfen nicht von der örtlichen Wirtschaft auf die Einwohner verlagert werden. "Jetzt," so Napp "ist die Bundesregierung gefordert". Wie dringend schließlich auch für Neuss die Gewerbesteuerreform ist, zeigen die städtischen Ausgaben für Bauinvestitionen: sie haben zwischen 1992 und 2002 um fast 40 Prozent abgenommen Am Mittwoch treffen sich die Bürgermeister wieder in Berlin. Dabei steht ein Tagesordnungspunkt schon fest: Nach den Sitzungen von Präsidium und Hauptausschuss wird demonstriert... *