07.05.2004 - Großes Interesse an Sprach- und Integrationsprojekt in Neuss

Neuss (PN/Kl/001). „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ – ein wahrer Spruch, gerade wenn es um das Erlernen der deutschen Sprache geht. Im Neusser Ortsteil Derikum wurde jetzt ein Projekt gestartet, das die deutsche Sprache vermitteln und damit ein Stück Integrationsarbeit in dem von zahlreichen Ausländern bewohnten Stadtteil ermöglichen soll.

Das Interesse an dem Projekt ist für die Organisatoren überwältigend. Ausländische Kinder, die in den Kindergarten kommen, haben oft keine Deutschkenntnisse. Die Anfangszeit im Kindergarten ist für viele daher schwierig, wenn nicht sogar traumatisch, da sie ihre Bedürfnisse nicht äußern und weder die anderen Kinder noch die Kindergärtnerin verstehen können. Die notwendige Unterstützung der Kinder durch die Mutter gestaltet sich als ebenso schwierig, weil Deutschkenntnisse oft auch hier fehlen.

Das gemeinsame Projekt der Volkshochschule, des Sozialamtes mit ihrer Projektgruppe „Sprache und Integration“, der Geschwister-Scholl Grundschule und der Kindergärten hofft, hier Abhilfe zu schaffen durch ein sogenanntes Bausteinmodell, eine Lern- und Spielgruppe für die Kleinen und parallel dazu Deutschunterricht für die Mütter. Durch das Erlernen der deutschen Sprache wird der Kindergarten zu einem positiven und erfolgreichen Erlebnis für die 18 Kinder, die an dem Projekt teilnehmen. Die gewonnenen Deutschkenntnisse der ausländischen Mütter sollen den Weg durch die Schule aber auch durch das Leben in Deutschland ebnen. Ein Stück Integrationsarbeit durch Sprache, das Schule machen soll. Seit dem 22. April 2004 findet das Projekt zweimal wöchentlich anderthalbstündig statt. Die Vorkindergartengruppe setzt sich vorwiegend aus Türkisch sprechenden Kindern zusammen. Willkommen sind selbstverständlich Kinder sämtlicher Nationalitäten. Explizit wurden auch Flyer in Russisch und Polnisch verteilt.Das Alter der Kinder liegt zwischen zwei und zweieinhalb Jahren. Ziel der Gruppe ist, die Kinder mit ihren Müttern zum Deutsch-lernen zu bewegen (Väter sind auch willkommen). Die Mütter, die zum größten Teil kaum bzw. sogar gar kein Deutsch sprechen, sollen befähigt werden, im Alltag (Arztbesuch, Einkauf, Spielplatz, Kindergarten- und Schulumfeld) selbstständig zu agieren und die Kinder auch sprachlich zu begleiten, d.h. sich etwa mit den Erzieherinnen oder dem Kinderarzt über ihr Kind austauschen zu können. Vielfach bestehen große soziale Isolierungen und buchstäbliche Sprachlosigkeit, die aus der –türkischen- Einsprachigkeit resultieren. Viele Pädagogen beklagen die fehlende Kooperation seitens des Elternhauses nicht-Deutsch sprechender Mütter und Väter. Probleme in Kindergarten und Schule eskalieren schnell, weil die Kinder im Mittelfeld zweier Lebenswelten alleingelassen werden. Spätestens in der Grundschule reagieren die Kinder dann oft agressiv oder regressiv-passiv, für unterstützende pädagogische Interventionen ist es dann jedoch oft zu spät – Verhaltensmuster der Isolation, erlernte Hilflosigkeit und Resignation haben sich dann schon zu stark verfestigt. Die Mütter haben das Angebot des Deutschlernens dankbar aufgenommen. Mit viel Radebrechen wurden schon in der ersten Stunde rührend anmutende Versuche unternommen, mit den Dozentinnen Gespräche über Trennungsängste, Hyperaktivität, Überforderung, Zeitnot und häusliche Isolation zu führen. Einige Frauen kommen ohne Kinder in den Deutschkurs und freuen sich über das engagierte Entgegenkommen der Deutschdozentin, Cornelia Littek. Inzwischen hat sich das Angebot herumgesprochen und es kommen neue Anfragen, sodaß die Grenze der Aufnahmefähigkeit erreicht ist.Zur Betreuung der Kindergruppe stehen zur Zeit drei Pädagoginnen zur Verfügung, eine Doktorandin der Psychiatrie, eine Sozialarbeiterin und eine Pädagogin.Eine sehr wichtige Zielsetzung dieser Vorkindergartengruppe besteht in der gesteuerten Vermittlung der deutschen Sprache. Die Kinder lernen dabei vor allem über Lieder, Sprach- und Bewegungsspiele im Stuhlkreis; daneben wird von den Betreuerinnen im spielerischen Kontext nur Deutsch gesprochen (möchtest du den blauen Ballon oder den gelben Ballon? Wo ist dein Schuh? Und wo ist dein Strumpf?). Angestrebt wird, den Kindern nach der ersten Gruppenunterrichtseinheit folgende Sprachcluster zu vermitteln: - Begrüßung und Verabschiedung- Einfache Fragen und Aufforderungen zu verstehen und - möglichst höfliche Erwiderungen zu formulieren (Möchtest du mitmachen? -Ja, gerne. Möchtest du etwas trinken? Nein, danke.) - Zahlen von 1 bis 10- Alltagsdinge und Körperteile benennen (Planschbecken, Toilette, Tempotuch, Trinkflasche, Rucksack, Spielzeug, Luftballon, Hand, Fuß, Bauch, Kopf)- Stimmungen bei anderen wahrzunehmen und zu verstehen (ich bin traurig, ich bin müde, ich bin wütend, ich habe Angst, wir vertragen uns)Dieser Vorkindergarten geht über die Förderung der deutschsprachigen Kompetenz hinaus. Gefördert werden gleichzeitig soziale, emotionale und kognitive Intelligenz.Die Kinder sollen durch das rhythmisierte Lernen in einer Gruppe gewöhnt werden an wiederkehrende zeitliche Abläufe (Entwicklung eines ersten Zeitgefühls) und das Einfügen in eine größere Gruppe (Regelbewusstsein / Rücksichtnahme). Niemand der Teilnehmenden empfindet dieses Lernen als Belastung oder Stress. Alle kommen und gehen mit frohen und begeisterten Gesichtern. Einige Mütter waren enttäuscht, dass dieses Spiel-und Lern-Angebot „bloß“ zweimal wöchentlich stattfindet, weil ihre Kinder so begeistert bei der Sache sind, andere Frauen hofften auf eine zusätzliche Erweiterung des Deutschkurses über den 10-Wochen-Rahmen hinaus, eine Verlängerung, die die VHS versucht, für den Herbst einzurichten.Die Teilnahmegebühr für die Mütter beträgt zehn Euro, für die Kinder ist das Angebot kostenlos.

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