Der Rhein in römischer Zeit
Hafen des Legionslagers in Neuss und Rheinverlauf vor 2.000 Jahren rekonstruiert
Wo heute Boote im Sporthafen liegen, haben auch schon vor 2.000 Jahren Schiffe angelegt, denn hier befand sich der Hafen des römischen Legionslagers in Neuss. Dies belegen Ausgrabungen, die bei einer Baustellenbeobachtung am Sporthafen ein mehr als 28 Meter langes Profil des Uferbereichs zu Tage förderten. Dieses reichte von der Innenseite der Lagermauer über die römische Uferzone bis fast unter das Niveau des römischen Mittelwasserstandes des Rheins. Es belegt, dass hier in frührömischer Zeit nur etwa 16 m von der Nordost-Mauer des Legionslagers entfernt eine Geländekante existierte, bei der es sich offensichtlich um einen Prallhang des Rheines handelte. „Römische Häfen lagen in aller Regel am Prallhang, damit auch bei Niedrigwasser noch Schiffe den Anleger erreichen konnten.“, erläutert hierzu Dr. Carl Pause vom Clemens Sels Museum Neuss. „Für den damaligen Hafen an dieser Stelle spricht auch, dass die Lagerhäuser des Legionlagers alle am nordöstlichen Tor und damit direkt am Wasser lagen.“ Spuren eines das Lager umgebenden Grabens, wie Constantin Koenen ihn 1904 auf seinem Grundrissplan an dieser Stelle offenbar rein hypothetisch einzeichnete, wurden nicht entdeckt.
In einem Gemeinschaftsprojekt haben das Clemens Sels Museum Neuss, die Neusser Bodendenkmalpflege sowie Liegenschaften und Vermessung Neuss den Verlauf des Rheins in Neuss vor 2.000 Jahren rekonstruiert. In römischer Zeit lag der Wasserstand des Rheins etwa zwei Meter über dem heutigen. Ein Haupt- oder Nebenarm des Rheins floss zu Beginn der römischen Zeit durch die heutige Uedesheimer Schleife. Keramikfunde auf der Ackerfläche direkt unterhalb des Reckberges verraten aber, dass der Rhein nicht mehr unmittelbar unterhalb der Erhebung vorbeifloss, sondern bereits begonnen hatte, sich nach Osten zu verlagern.
Wenige hundert Meter flussabwärts traf der Rhein auf den Quinheimer Berg, der den Rhein leicht nach Norden umlenkte und im Spätmittelalter zusammen mit der dort gelegenen namensgebenden Siedlung vom Rhein fortgespült wurde. Keramikfunde von den Feldern um Volmerswerth belegen, dass dieser Bereich in römischer Zeit nicht vom Rhein überflutet war. Ob Volmerswerth aber in römischer Zeit eine Insel war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Erft mündete ungefähr am heutigen Sporthafen in den Rhein, der von hier mehr oder weniger parallel zum Bett des heutigen Nordkanals nach Nordwesten bis auf die Höhe der Zivilsiedlung in der heutigen Innenstadt floss und dann in Richtung des heutigen Düsseldorfs abknickte. Eine leichte Erhebung im heutigen Rheinpark war vermutlich eine Insel. Ihr historischer Name „Auf den Steinen“ rührt von einer Quarzitkuppe im Boden her.
Der Rhein bildete in römischer Zeit die wichtigste Verkehrsader in Niedergermanien. Besonders für schwere Lasten war der Transport auf dem Wasserweg mit Schiffen, Booten und Flössen wirtschaftlicher als über Land. Auch das Legionslager Novaesium, in dem weit über 5.000 Soldaten und die Bewohner des Vicus (römische Siedlung) versorgt werden mussten, muss daher über einen Hafen verfügt haben.
Höhenschichtkarte mit Rekonstruktion des römischen Mittelwasserbetts des Rheins (dunkelblau) und des Hochwasserbetts (hellblau). 1: Vicus am Büchel, 2: Legionslager, 3: Erftbrücke, 4: Kastell und Wachturm auf dem Reckberg, 5: Quinheimer Berg, 6: Vollmerswerther Insel, 7: Insel „Auf den Steinen“.