24.07.2001 Der geborstene Engel

Die Verwaltung der Stadt Neuss unterhält vierzehn Kommunalfriedhöfe. Der mittlerweile über 50 Hektar große ...

...Hauptfriedhof an der Rheydter Straße dient seit seiner Gründung im Jahre 1873 und der Auflassung der ehemaligen Kirchhöfe St. Quirin und Christuskirche als zentraler Bestattungsplatz für Neuss. Im Zuge der kommunalen Neugliederung sind Mitte der 70er Jahre die Friedhöfe der eingemeindeten Ortschaften Rosellen, Grefrath und Holzheim übernommen worden. Die städtischen Friedhöfe haben eine Gesamtfläche von etwa 85 Hektar. Soweit es die örtlichen Verhältnisse zulassen, werden diese im Bedarfsfall erweitert, um den Bürgern Bestattungsflächen möglichst in ihrer Nähe anbieten zu können. Die Friedhöfe sind in Form und Gestaltung durch die verschiedenen Epochen seit ihrer Gründung geprägt. Ebenso geben sie Zeugnis über die künstlerischen und kulturellen Strömungen dieses Zeitabschnittes ab. Der Hauptfriedhof wurde im ersten Ausbauabschnitt nach dem geometrischen Achsenprinzip mit formalen Gestaltungselementen angelegt. Man spricht hier von einem "Architektonischen Friedhof". Die späteren Erweiterungen haben raumbildende geschwungene Wege, großzügige Pflanzungen und zusätzliche Freiflächen, wie sie typisch sind für den "Parkfriedhof". Bei den älteren ehemaligen Dorffriedhöfen dominiert der "Geometrische Friedhofsstil", der meist eine annähernd quadratische, schachbrettartige Grundform hat. Rundgang über den Hauptfriedhof 1. Familiengruft und Grabmal Kraus Errichtet 1926, gestaltet von Johann Bossard (1874 - 1950). Beispiel der expressionstischen Stilrichtung. Hoher Sockel aus Muschelkalk in der stilisierten Form eines Sarges auf Katafalk. Pietagruppe aus Bronzeguß, 3 Figuren, Maria und Apostel kniend mit dem Leichnam Christi. Grufteingang mit Deckel. 2. Grabstätte Blumenkamp Engel um 1900 in der Technik der Galvanoplastik gestaltet, hergestellt von der Galvanischen Abteilung der Württembergischen Metallwarenfabriken. Beispiel einer in vielfacher Wiederholung hergestellten Grabfigur. Durch Kriegseinwirkung oder Abriss heute nur noch selten anzutreffende Galvano-Plastik. 3. Alte Friedhofskapelle 1902 nach Plänen des Regierungsbaumeisters Julius Busch (1838 - 1912) errichtet, gestiftet von der Bankierswitwe Anna Le Hanne. Neuromanischer Zentralbau aus Backstein, Sandstein/Tuff, rechteckige Altarnische an der Westseite, offene Vorhalle an der Ostseite. Kuppel bekrönt von offener Laterne. Im Innern Kreuzgratgewölbe, Terrazzoboden, Altar aus Sandstein, Holzrelief von Hein Minkenberg. 4. Grabstätte der Familie Denecke/Senner Zeitgenössisches Beispiel, gestaltet von dem Neusser Künstler Friedel Denecke. Titel: "Gang des Menschengeschlechts durch die Welt". 5. Grabstätte der Eheleute Ohletz Vom alten Friedhof nach hier versetzt. 1853 für die Familie Esser gestaltet, 1981 von den Eheleuten Ohletz übernommen. Heinz Ohletz war langjähriger Redaktionsleiter der NGZ. Beispiel für eine klassizistische Grabmalgestaltung. Sandstein. Sockel, darauf rechteckiger Aufbau, bekrönt von großer Urne. Im Sockel Inschrifttafel: "Vor Ewigkeit hat Gott mein Los entschieden, das dient zu meinem Frieden." Darüber Feld mit Namen und Lebensdaten, darüber Feld mit stilisierten Blumen. Zwischen den Feldern Engelskopf mit Flügeln, aus Kalkstein; zur linken Seite Lorbeerkranz, um den eine Schlange gewunden ist (Sinnbild des Lebenskreislaufs), an der rechten Seite Anker (Sinnbild des Glaubens) und Kreuz, die sich in einem Herz kreuzen. 6. Grabmal der Familie Leonard Schwann 1828 errichtet, vom alten Friedhof hierher versetzt. Sandstein in gotischen Formen gestaltet. Rechteckiger Block auf quadratischem Sockel. An allen 4 Seiten Giebelabschluß mit Maßwerk. Weiße Mamortafeln mit Namen und Lebensdaten, In der Mitte runde Säule mit Kreuz. Leonard und Elisabeth Schwann waren die Eltern des berühmten Naturwissenschaftlers Theodor Schwann (1810 - 1882), dem Begründer der Zellenlehre. Leonard Schwann war Goldschmied und Begründer der heute noch in Düsseldorf unter dem Namen Schwann bestehenden Druckerei und Verlagsanstalt. 7. Grabstätte des Pfarrers Buschmann 1877 errichtet für Oberpfarrer Peter Josef Buschmann (geb. 1847). Er hat 1874 den neu errichteten Hauptfriedhof eingesegnet und wurde dort als erster Neusser Geistlicher beerdigt. Sein Streben galt der "Stärkung der Religion, der Hebung der Sittlichkeit, den Armen zu helfen und die geistige Bildung zu fördern". Grabmal aus Sandstein, im Stilgemisch gestaltet. Pyramidenförmiger Sockel mit Konsolen, vorn Inschrifttafel aus Kalkstein mit Widmung der Gemeinde. Auf dem Sockel rechteckiger Aufbau mit Giebelabschluß an allen 4 Seiten, vorn Rundrelief mit Bildnis des Verstorbenen nach dem Vorbild römischer Grabmalkunst. In der Mitte des Aufbaus achteckiger Sockel, darauf Engel mit Kreuz in der linken Hand und mit dem rechten Zeigefinger gen Himmel weisend (Hinweis auf die Auferstehung). Das Bildnis wurde besonders dann angebracht, wenn der Mensch Überdurchschnittliches, z. B. im gesellschaftlichen Leben, geleistet hatte. 8. Grabstätte der Familie Thywissen Ursprünglich für die Familie Rottels errichtet, vermutlich Ende des 19. Jh. , heute im Besitz der Familie Thywissen. Rechteckige Grabanlage, in der Mitte hohe, schlanke, spitze Pyramide aus Sandstein, eine sogenannte Fiale, eine typische Zierform der Gotik. Dieser Typ des neugotischen Grabmals war weit verbreitet. Die 4 Seiten des Sockels tragen eingraviert Namen und Lebensdaten verstorbener Familienmitglieder. Die weissen Marmortafeln des Aufbaus sind unbeschriftet. Die Fiale zeichnet die hier Bestatteten als "Stützen der Kirche" aus. 9. Grabstätte der Familie Le Hanne Um 1867 entstanden. Vom alten Friedhof hierher versetzt. Einfaches Sandsteingrabmal, dreifach gestufter Sockel, darauf hohes Sandsteinkreuz mit eigenem Sockel, in der Mitte davor auf einer Konsole Muttergottesfigur, die sich fürbittend gen Himmel wendet. Auf dem Sockel des Kreuzes eingravierter Bibeltext, auf dem gestuften Sockel Namen und Lebensdaten der Familienmitglieder. Rechts und links des Grabmals zwei schräge Sandsteinblöcke mit Namenstafeln. Die Bankiersfamilie Le Hanne war seit 1834 in Neuss ansässig. Der hier bestattete Jacob Le Hanne eröffnete 1850 ein Bankgeschäft. Sein Sohn Barthel Le Hanne (auch hier begraben) galt als Förderer der religiösen und gemeinnützigen Bestrebungen der Stadt. Seine Frau Anna leitete u. a. den Neusser Verein zur Unterstützung bedürftiger Wöchnerinnen. Sie ließ im Andenken an ihren verstorbenen Mann 1902 die Friedhofskapelle errichten. 10.Grabstätte der Familie Heinrich Christian Thywissen und der Familie Kiederich Um 1864 errichtet. Vom alten Friedhof hierher verlegt. In Formen der Hochgotik gestaltetes Tabernakel-Grabmal aus Sandstein. Säulengestützter profilierter Giebel. In der Nische leere Konsole, ursprünglich mit Heiligenfigur. Oben turmartiger Aufbau, darüber hohe reich gestaltete Fiale. Inschriftentafeln mit Namen und Lebensdaten. Der dort aufgeführte Heinrich Christian Thywissen betrieb mit seinem Vater eine Tuchfabrik. 1813 erwarb er mit diesem eine Ölmühle in Neuss, die er zusammen mit seinem Bruder Caspar leitete (die grössten Ölfabrikanten in Neuss, Fa. Heinrich Thywissen und Sohn). Er erhielt den Titel "Kgl. Kommerzienrat" als Anerkennung für seine Verdienste um die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und war von 1849 - 1851 Ehrenbürgermeister der Stadt Neuss. Sein Sohn Heinrich gehörte 1861 zu den Gründungsmitgliedern der Handelskammer in Neuss und war zeitweilig ihr Präsident. 11. Gruft und Grabmal der Familie Josten/Busch Ende des 19. Jh. errichtet. Gruftanlage mit Kapelle. Ausführender Künstler war Regierungsbaumeister Julius Busch (1838 - 1912). Rechteckige Grabanlage mit rückwärtigem und seitlichem Mauerabschluß aus Sandstein. An der Mauer Medaillontafeln. 2 Tafeln mit Namen und Lebensdaten der Familienmitglieder. In der Mitte kleine Sandsteinkapelle im byzantinischen Stil mit Giebeln zu allen vier Seiten, mit Schuppen verzierter Kuppel und bekrönendem Kreuz. Eine Rundbogenöffnung gibt den Blick auf den Innenraum frei, auf Fliesenboden, kleinen Sandsteinaltar und Kalksteinrelief mit Christus auf einer Wolke stehend, mit Kreuz in der linken Hand und erhobener rechter Hand. U. a. ist hier Julius Busch selber beigesetzt, der 1863 sich mit Kunigunde Josten vermählt hatte, sowie B. Derath, der Mitbegründer der NGZ und Förderer des Schützenwesens. Ferner sind hier beigesetzt die Nachkommen von Henry Jansen, dem letzten Uhrmachermeister Ludwig XVI. von Frankreich. 12. Grabstätte der Familie Sels Große Familiengruft, vermutlich 1834, vom alten Friedhof. Teilweise Einfriedung (Sandsteinpoller mit Eisenverstrebungen). In der Mitte riesiges Grabmonument aus Basalt im neuromanischen Stil Großer Rundbogen auf Sockelunterbau, an jeder Seite flankiert von zwei Granitsäulen, auf den beiden äußeren Säulen zwei bronzene Löwen. Im Rundbogen drei Bronzetafeln, die obere in Form eines Vierpassornaments, die beiden unteren in Form von Türflügeln. Auf den Türflügeln sowie auf zwei Bronzetafeln am Sockel die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen. Auf dem Rundbogen Kreuz mit Medaillon (Christus mit der Dornenkrone). Die Familie Sels ist seit 1787 in Neuss ansässig und besaß eine der zwei Apotheken in Neuss. Dr. Clemens Sels, der auch hier begraben ist, erwarb in Berlin die Approbation als Apotheker erster Klasse und gründete später mit seinem Bruder Lorenz, ebenfalls hier begraben, eine Stearinkerzenfabrik, die er an seinen Sohn Clemens vererbte (später Fa. Overbeck & Söhne). Zudem ist er bekannt als Kunst- und Altertumssammler. Nach seinem Tod gingen die Sammlungen z. T. an die Stadt Neuss. Seine Frau Pauline geb. Hofstadt verpflichtete die Stadt, dafür ein eigenes Museum herzurichten. 13. Grabmal der Familie Geyr Vermutlich 1865 errichtet. Vom alten Friedhof hierher versetzt. Klassizistisch gestaltetes Grabmal. Schwarze Marmormauer mit einfachem Kreuz. In der Mitte des Kreuzes Bronzemedaillon Christus mit Dornenkrone. Auf der Mauer eingravierte Namen und Lebensdaten der Familienmitglieder. Vor dem Kreuz Sarkophag. Darauf trauernde weibliche Bronzefigur, die sich über eine Urne beugt, den Schmerz der Hinterbliebenen versinnbildlichend. Das Motiv wird im letzten Viertel des 19. Jh. oftmals gewählt. Historische Vorbilder sind in barocken Grabmälern zu sehen. Es handelt sich um das Grabmal einer alteingesessenen Neusser Famlie, die noch heute besteht. Der hier bestattete August W. Geyr z. B. war ein bekannter Neusser Reiter, erfolgreicher Pferdezüchter und Jäger. Seine hier liegenden Eltern hatten einen Futtermittelbetrieb, den er selbst jahrelang führte. 14. Grabstätte der Familie Josten/Pell Grabmalkreuz von 1848 von dem Künstler Ludwig Michael Schwanthaler (1802 - 1848), dem Hauptvertreter des Münchner Klassizismus und führenden Bildhauer des Bayerischen Hofes (Bavaria in München, Giebelskulpturen der Walhalla bei Regensburg etc.). Rechteckige Grabanlage, rechts und links hinten kleine viereckige Säulen. Hoher dreiteiliger Marmorsockel mit hohem Bronzekreuz und gekreuzigtem Bronze-Christus. Christus in starrer standbildhafter Haltung, Kopf mit Dornenkrone. Auf dem Grab Inschriftplatten mit Namen und Lebensdaten der Familienmitglieder. 15. Grabstätte des Ehepaares Nepes Grabmal für Caspar Joseph Nepes 1829 errichtet, Grabmal für Maria Anna Nepes 1847 errichtet. Sie zählen zu den ältesten erhaltenen Grabmalen und wurden vom alten Friedhof hierher versetzt. Heute sind sie im Besitz der Stadt Neuss. Beide Grabmale in klassizistischer Gestaltung. Fußplatte und Sockel aus Blaustein, rechteckiger, sich nach oben verjüngender Block aus Belgisch-Granit, Gesims aus Blaustein, in der Mitte der Deckplatte eine große Urne. An der Vorderseite des Mittelblocks Rundbögen mit Sandsteinreliefs. Die Sandsteinreliefs zeigen Genien, geflügelte Schutzgeister, die den Ort, Das Grab, beschützen. Bei Casper Joseph stehende Figur auf Säule gestützt, bei Maria Anna kniende Figur, die eine mit einem Tuch verhängte Aschenurne umfaßt. Eingravierte Inschriften in vergoldeten Buchstaben. Bei Caspar Joseph: Name, Lebensdaten, Berufsbezeichnung und Widmung seiner Ehefrau; bei Maria Anna: Name, Lebensdaten, Name des Ehemannes und Widmung der Familie. Familie Nepes war seit 1795 in Neuss. Caspar Joseph war Postmeister. Er hatte sein Amt vom Vater PeterJoseph geerbt, der kaiserlicher Posthalter war und die Poststation an der Oberstraße (heute Stadtarchiv) erbaute. 16. Grabmal der Familie de Greef Aus der 1. Hälfte des 19. Jh. vom alten Friedhof hierher versetzt. Basaltsäule im Stilgemisch gestaltet (neuromanisch/klassizistisch). Hoher achteckiger Sockel, darauf achteckige Säule mit Kapitell, Gesims und Deckplatte, bekrönt von einfachem sechseckigem Kreuz. Am Sockel Inschrift: Ruhestätte der Familie de Greef. Die de Greefs sind eine alte Brauereifamilie und hatten bereits 1700 ein Wirtshaus in Neuss. Sie sind verwandt mit den Familien Nepes und Sels und stellten auch Bürgermeister von Neuss. *