15.06.2005 - Wissenschaftliche Untersuchung über Zwangsarbeit in Neuss erschienen

Neuss (PN/kl). Nach dem Buch „Juden in Neuss“ von Stefan Rohrbacher ist jetzt in Neuss eine weitere wichtige Publikation erschienen, die sich mit Opfern der nationalsozialistischen Herrschaft auf lokaler Ebene befasst.

Im Mittelpunkt der im Auftrag der Stadt vom Stadtarchiv herausgegebenen Untersuchung stehen die Zwangsarbeiter, die auch in Neuss zu unfreiwilligem Arbeitseinsatz gezwungen wurden, um die deutsche Wirtschaft während des Krieges aufrechtzuerhalten. Die beiden mit den Recherchen betrauten Historiker Christoph Roolf aus Düsseldorf und Dr. Andrea Niewerth aus Gladbeck schätzen die Zahl der zwischen 1939 und 1945 in Neuss eingesetzten Zivilarbeiter und Kriegsgefangenen auf mindestens 10.000 Menschen. Rund zwei Drittel von ihnen waren so genannte Ostarbeiter, die unter besonders harten Arbeits- und Lebensbedingungen zu leiden hatten. Die Mehrheit der in Neuss zur Arbeit gezwungenen Menschen war in etwa 80 Lagern im gesamten Stadtgebiet untergebracht. Nach neuesten Berechnungen sind etwa 13 Millionen Männer, Frauen und Kinder aus weiten Teilen Europas zur Arbeit in Deutschland gezwungen worden. Wie im gesamten Deutschen Reich gehörten die ausländischen Arbeitskräfte auch in Neuss spätestens seit 1940 deutlich sichtbar zum städtischen Alltag. In fast allen Wirtschaftsbereichen wurde auf sie zurückgegriffen: in der lokalen Metall- und Rüstungsindustrie, der Chemie- und Lebensmittelindustrie ebenso wie in der Landwirtschaft, im Handwerk, in der kommunalen Verwaltung und in Privathaushalten. Diese und weitere Ergebnisse sind jetzt in der Dokumentation "Zwangsarbeit in Neuss während des Zweiten Weltkriegs (1939-1949)" nachzulesen. Das Buch basiert auf einer komplizierten und aufwendigen Recherchearbeit. Vorgehensweise und Terminologie der Studie entsprechen dem aktuellen Stand der Zwangsarbeiter-Forschung in Deutschland. Die auf breiter Quellenbasis erarbeitete Dokumentation gibt erstmals einen Gesamtüberblick zum Thema. Sie untersucht die Organisation und Dimension des Arbeitseinsatzes in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen und gibt Einblicke in den durch Ausbeutung und Reglementierung gekennzeichneten Alltag der Zwangsarbeiter in Neuss. Bei der Pressevorstellung dankte der Leiter des Neusser Stadtarchivs Dr. Jens Metzdorf ausdrücklich den Neusser Unternehmen, die sich sehr kooperativ gezeigt, ihre Archive geöffnet und teilweise aktiv an der Recherche beteiligt hatten.Die Dokumentation geht auf einen einstimmigen Beschluss des Rates der Stadt Neuss im Dezember 1999 zurück. Im Jahr 2000 wurde die Forschungsarbeit vom Stadtarchiv in Auftrag gegeben und in der Folge durch intensive Quellenrecherchen auch in Archiven unterstützt, die bislang nicht genutzt worden sind, so zum Beispiel Firmenarchive. Der Kulturausschuss wurde seitdem regelmäßig über den Fortgang der Arbeit unterrichtet. Das Stadtarchiv Neuss hat die Arbeit um zahlreiche Fotos und Abbildungen ergänzt, die von ehemaligen Zwangsarbeitern bei ihrem Antrag auf Entschädigung eingereicht worden waren, und als Band 7 in die "Dokumentationen des Stadtarchivs" aufgenommen.

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