11.08.2010 - Von Friedrich dem Großen bis Goethe - Neusser Archivarin verzeichnete den Nachlass des Freiherrn vom Stein

Neuss (PN/Hüg). Hunderte von Straßen, Plätzen und Schulen in Deutschland tragen seinen Namen; mit ihm verbinden sich die Städteordnung ebenso wie die Bauernbefreiung Anfang des 19. Jahrhunderts:

Freiherr vom und zum Stein (1757–1831), der große preußische Reformer und Staatsmann. Sein privater und politischer Nachlass wurde von der jetzigen Mitarbeiterin des Neusser Stadtarchivs Dr. Annekatrin Schaller im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) neu erschlossen und ist jetzt auch in einem umfangreichen Findbuch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe publiziert worden. Es handelt sich um einen der bedeutendsten europäischen Politiker-Nachlässe des frühen 19. Jahrhunderts.
Mit der Verzeichnung habe sie damals beim Archivamt für Westfalen eine reizvolle, aber zugleich nicht einfache Aufgabe übernommen, meint die Historikerin und Archivarin Schaller heute. „Eine Einzelblattverzeichnung wie im Fall des Stein-Nachlasses ist eine sehr aufwändige Art der Erschließung und wird nur bei bedeutenden Persönlichkeiten angewendet. Steins ausgeprägte Handschrift und die damals im Adel übliche Verwendung der französischen Sprache waren zudem eine besondere Herausforderung.“ Mit der Verzeichnung, die Schaller bereits abschloss bevor sie im Stadtarchiv Neuss die historische Bildungsarbeit übernahm, und die der Landschaftsverband nun „endlich“ auch in gedruckter Fassung vorgelegt hat, wurde eine große Lücke in der Erschließung neuzeitlicher Nachlässe geschlossen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren nahm Schaller jedes Blatt der schriftlichen Hinterlassenschaften Steins in die Hand, insgesamt zwölf Regalmeter. Auf über 1.300 Seiten sind diese nun in 6.500 Einträgen in zwei Bänden für die Forschung zugänglich. Politische Akten und Korrespondenz, private Briefe, richtungweisende Denkschriften und persönliche Unterlagen wurden akribisch erfasst, darunter etwa ein Schreiben Friedrichs der Großen, Briefe des preußischen Königs und des russischen Zaren, von Johann Wolfgang Goethe oder den Brüdern Humboldt. Der Forschung liegt nunmehr ein Nachschlagewerk vor, das über die Person Steins hinaus für das gesamte erste Drittel des 19. Jahrhunderts bedeutsame Aussagekraft besitzt. Die spannungsgeladenen Konflikte seiner Zeit bündeln sich in der Biographie des Freiherrn vom Stein gleichsam wie in einem Brennpunkt. Die Epoche vom Untergang des Ancien Régime über die preußischen Reformen, den Siegeszug Napoleons und die Befreiung von der napoleonischen Herrschaft hin zur Neuordnung Deutschlands auf dem Wiener Kongress, den Verfassungsbestrebungen und restaurativen Tendenzen wird aus der Sicht eines zentralen Handlungsträgers gespiegelt.
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