20.09.2012 - Internationales Ausstellungsprojekt

Der Höhepunkt des 100-jährigen Jubiläums des Neusser Clemens-Sels-Museums...

...bildet vom 23. September 2012 bis 13. Januar 2013 das internationale Ausstellungs-projekt „Sehnsucht nach Farbe – Moreau, Matisse & Co.“, das eine in Deutschland einmalige und weltweit anerkannte Sammlung an Bildwerken des internationalen Symbolismus besitzt. Als einziges Haus in Deutschland umfasst der Bestand allein vier Werke von Gustave Moreau (1826-1898), dem „Vater des Symbolismus“ und Vorbild der Surrealisten. Dr. Irmgard Feldhaus, die langjährige Direktorin des Museums, richtete ihm be-reits 1964 eine erste deutsche Einzelausstellung aus. Mit der aktuellen Präsentation knüpft das Museum an dieses Ereignis an: Erstmals in Deutschland widmet sich das Haus Gustave Moreau nicht nur als Maler, sondern vor allem auch als weg-weisenden Lehrer an der École des Beaux-Arts in Paris. Anhand von hochkarätigen Gemälden und Aquarellen, Handzeichnungen und Druckgrafiken stellt die Ausstellung das Schaffen Gustave Moreaus einigen seiner berühmtesten Schüler wie Henri Matisse und Georges Rouault gegenüber. Die zahlreichen Leihgaben werden dem Museum von namhaften Häusern wie dem Musée d’Orsay, dem Centre Pompidou, dem Musée Gustave Moreau und der Fondation Georges Rouault in Paris sowie dem Musée départemental Matisse in Le Cateau Cambrésis und weiteren renommierten Museen in Deutschland und Belgien zur Verfügung gestellt. Ergänzt werden die Kunstwerke durch historische Aufnahmen und ausgewählte Auszüge authentischen Quellenmaterials. Die Ausstellung und der begleitende Katalog werfen ein neues und aktuelles Licht auf die besondere Stellung und die spezielle Lehrmethode Moreaus an der Pariser Kunstakademie und beleuchten seine wegweisende Bedeutung für die Künstlergruppe „Fauves“.

Als Gustave Moreau 1891 an der École des Beaux-Arts ein Maleratelier übernahm, war er künstlerisch bereits in seiner reifen Schaffensphase. Er selbst betrachtete sich als Historienmaler und legte sich damit auf die Darstellung von religiösen und mythologischen Themen fest. Sein künstlerisches Ziel beschrieb er mit den Worten: In dieser Kunst kann die Seele „alles finden [...], was sie an Traum, Zärtlichkeit, Liebe, Begeisterung und religiöser Erhebung ersehnt, denn alles in diesem Werk ist erhaben, stark, sittlich, nützlich und erzieherisch, alles ist fröhliche Einbildungskraft, Laune und Entrückung in die Fernen heiliger, unbekannter, geheimnisvoller Länder.“ Indem Moreau damit die realistischen und impressionistischen Strömungen ablehnte, nahm er als Künstler eine Sonderstellung in seiner Zeit ein.

Darüber hinaus war er ein begnadeter Lehrer und für seine unkonventionelle Lehrmethode und liberale Haltung an der École des Beaux-Arts bekannt. Stets ermutigte er seine Schüler, ausgehend vom Studium der Alten Meister und der Natur, eine individuelle Bildsprache zu entwickeln, die nicht dem Sehen, sondern einzig dem Gefühl verpflichtet war. So führte er ihnen gegenüber aus: „[...] ich glaube weder an das, was ich berühre, noch an das, was ich sehe, sondern nur an das, was ich fühle; mein Gehirn, mein Verstand scheinen mir vergänglich und von zweifelhafter Wirklichkeit. Allein mein inneres Gefühl erscheint mir unvergänglich und unbestreitbar gewiss.“ Demzufolge versammelten sich in seinem Atelier nicht die akademisch ausgerichteten Nachwuchsmaler, sondern vielmehr die innovativen Künstlerpersönlichkeiten. Vor allem sein überlieferter Appell – „Eines merken Sie sich gut: Man muss die Farbe denken, eine Vorstellung von ihr haben! Wenn Sie keine Vorstellungskraft haben, werden Sie niemals eine schöne Farbe erzielen. […] Die Farbe muss gedacht, geträumt, imaginiert werden“ – verdeutlicht seine revolutionäre Vorstellung vom Umgang mit der Far-be. Seine bemerkenswerten Farbfantasien, die losgelöst vom Gegenstand einzig dem persönlichen Empfinden verpflichtet waren, gab Gustave Moreau an seine Schüler weiter und nahm damit die Möglichkeiten und Auffassungen von Farbe im 20. Jahrhundert vorweg.

Zu seinen Schülern zählten neben den späteren „Fauves“ wie Henri Matisse, Albert Marquet, Henri Manguin und Charles Ca-moin auch Georges Rouault und Henri Evenepoel sowie die Moreaus Werk thematisch, stilistisch und motivisch verhaftet gebliebenen Maler Raoul du Gardier, Fernand Sabatté, Jules-Gustave Besson und Edgar Maxence. Mit den innovativen Künstlerpersönlichkeiten und den traditionsgebundenen Talenten lassen sich zwei Strömungen innerhalb der Schülerschaft Gustave Moreaus feststellen. Er umgab sich mit unterschiedlichen Talenten in der Absicht, jedem Schüler einen Weg in die künstlerische Eigenständigkeit zu weisen. So erinnerte sich Georges Rouault: „Er war darauf bedacht, unser Kunstempfinden zu wecken, es durch das intensive Studium der Alten Meister und der Natur zu schulen, ohne übertriebene Härte oder Sit-tenstrenge. […] ‚Fallen Sie nicht auf den flüchtigen Erfolg einer Modeerscheinung herein, von welcher Seite sie auch herkommen mag, lassen Sie sich davon nicht mitreißen.’“ Neben dem Studieren und Kopieren der Alten Meister war auch das Anfertigen von Aktstudien nach der Antike und nach dem lebenden Modell für die Lehre Moreaus von zentraler Bedeutung. Dass seine Schüler dafür nicht nur zum Stift, sondern auch zum Pinsel griffen, stellte einen weiteren einmaligen Vorgang an der Akademie dar, die entsprechend der traditionellen Lehre zunächst nur die Zeichnung vorsah.
 
Für seinen einmaligen und innovativen Lehransatz brachten ihm seine Schüler großen Respekt und Anerkennung entgegen. Gustave Moreau wurde neben Dominique Ingres im 19. Jahrhundert zu jenem Lehrer, der den größten Einfluss auf seine Schüler und damit auf die Entwicklung der modernen Malerei ausgeübt hat. Er war jene „Brücke“, über die einige seiner Schüler gegangen sind und damit neue Vorstellungen von Farbe für die Kunst des 20. Jahrhunderts entwickelt haben. Auch Moreaus Forderung nach arabesker Linienführung nahmen sei-ne Schüler wie Matisse und Rouault in ihr Schaffen auf und übertrugen diese in eine neue, dekorativornamentale Formsprache.

In der Ausstellung spiegelt sich der vielfältige und zukunftsweisende Einfluss, den Moreau während seiner sieben Jahre um-fassenden Lehrtätigkeit auf rund 130 Schüler ausgeübt hat, in neuer und bislang unerreichter Weise wider. Im Zuge des Rundgangs lassen sich die vielfältigen Verbindungen zwischen Lehrer und Schülern ablesen, die einmal mehr den maßgeblichen Weg verdeutlichen, der vom Symbolismus in die Moderne weist.
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