25.02.2015 - Flüchtlingsunterbringung

Neuss muss jetzt die Weichen stellen

Die derzeitige Nachrichtenlage lässt keinen Zweifel: Wegen der zunehmenden  kriegerischen und wirtschaftlichen Brennpunkte in der Welt entschließen sich immer mehr Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat. Auch die neuesten statistischen Prognosen sprechen eine deutliche Sprache: 300.000 Menschen werden in diesem Jahr in Deutschland Asyl beantragen,  80.000 mehr als noch vor wenigen Wochen prognostiziert waren.
Alle Kommunen sind gleichermaßen betroffen. Auch Neuss hat in den nächsten Monaten mit einem erheblichen Anstieg der Zuweisungen von Flüchtlingen zu rechnen. Sozialdezernent Stefan Hahn ist alarmiert und fordert alle  Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf: „Wir müssen jetzt die Weichen für die Unterbringung dieser Menschen stellen. Und wir müssen umgehend handeln. Eine destruktive Standortdiskussion ohne die Nennung machbarer Alternativen ist nicht zu verantworten.“
Während andere Kommunen bereits jetzt schon Notprogramme bei der Unterbringung von Flüchtlingen fahren, waren in Neuss die Auswirkungen durch die Existenz der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes im Alexianerkrankenhaus bisher sehr moderat. Die Verwaltung hatte seinerzeit die Belegung des leerstehenden Gebäudes mit Flüchtlingen gegenüber dem Land angeregt: gegen die Zusage, dass die Plätze auf die Aufnahmeverpflichtung der Stadt angerechnet werden.  Neuss profitiert bei dieser Regelung zweifach. Zum einen müsste die Stadt eigentlich 592 Flüchtlinge betreuen. Durch die Landeseinrichtung  hat die Stadt aber zur Zeit eine „Reserve“ von 141 Asylsuchenden. Zum anderen müsste die Stadt  zusätzliche Plätze in Kitas und Schulen bereitstellen und die jährlichen Unterbringungskosten, Lebensunterhalts- und Krankenbehandlungskosten in Höhe von Netto 5.000 Euro pro Person finanzieren. Dies ist durch die Landeseinrichtung nicht notwendig.
Vorausgesetzt, dass die ZUE weiter bestehen bleibt, wird die rechnerische „Reserve“ in Neuss aufgrund der dynamischen Entwicklung der Flüchtlingszahlen bis Sommer 2015 aufgebraucht sein. „Danach“, so der Neusser Sozialdezernent „kön-nen wir uns bis Jahresende vielleicht mit der Anmietung von Wohnungen über Wasser halten.  Aber danach wird’s kritisch!“
Perspektivisch steht das Alexianerkrankenhaus nicht mehr zur Verfügung. „Neuss muss jetzt schnell handeln“, macht Hahn die Dringlichkeit deutlich. Da sich die positiven Effekte einer Landeseinrichtung herumgesprochen haben, bewerben sich inzwischen auch andere Kommunen um dieses Modell. „Wenn 2016 die ZUE Alexianer schließt, ergibt sich für unsere städtische Flüchtlingsunterbringung automatisch ein „Nachholbedarf“ von 500 Plätzen, “ so Hahn. Eine enorme Zahl.
Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder  bietet die Stadt dem Land eine geeignete ZUE mit 800 Plätzen an und braucht dann selbst nur noch drei neue kommunale Asylunterkünfte errichten, oder 2016 müssen in Neuss ganze elf  neue kommunale Einrichtung für die zugewiesenen Flüchtlinge gebaut werden.  Gleichzeitig müssten die Planungen für weitere Standorte in den Folgejahren anlaufen.
Mit Planungsdezernent Christoph Hölters ist sich der Neusser Sozialdezernent einig: „Eine solch große Belastung kann nur von allen Schultern getragen werden, und zwar in allen Stadtteilen!“
Eine neue vom Land betriebene Zentrale Unterbringungseinrichtung bedeutet für die Stadt, dass acht städtische Flücht-lingsunterkünfte in Neuss weniger benötigt würden. Der städtische Haushalt würde mit vier Millionen Euro pro Jahr entlastet (800 Personen X 5.000 Euro) und  zusätzliche KiTa- und Schulplätze würden nicht benötigt.
Hahn: „Die Landeseinrichtung bietet enorme Vorteile. Wir haben mit der ZUE Alexianer im großen Ganzen positive Erfahrungen gemacht. Und durch die kurze Verweildauer der Flücht¬linge von ein bis drei Wochen hat es bei uns kaum soziale Spannungen gegeben. Wir haben jetzt die Chance, die Weichen für die Zukunft zu stellen, aber wir müssen schnell handeln!“

FAKTEN

Asylanträge in Deutschland:
2008     Tiefstand mit 28.000 Flüchtlingen
2014     200.000 Flüchtlinge
2015    neuste Prognose 300.000 Flüchtlinge

Kosten für die Kommune
Für Unterbringung, Lebensunterhalt und Krankenbehandlung fallen pro Asylbewerber 7.000 Euro jährlich an. Das Land erstattet 30 Prozent, also ca. 2.000 Euro.
Plätze in Kindertageseinrichtungen und Schulen müssen bereitgestellt werden.


Entwicklung der Flüchtlingszahlen in Neuss
Ausgangszahl: Ohne Landeseinrichtung müsste Neuss heute 592 Asylsuchende aufgenommen haben. Dagegen leben heute tatsächlich 233 Menschen in städtischen Einrichtungen.
Seit Mitte 2014 erhöht sich diese Zahl der Zuweisungen monatlich um 30 bis 50 Menschen.
Nach dem prognostizierten Anstieg der Flüchtlingszahlen für Deutschland erhöht sich die Zahl in diesem Jahr deutlich auf monatlich 50 Menschen.
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