19.12.2019 - Malandain Ballet Biarritz bei den Internationalen Tanzwochen

Als einer der großen Erneuerer und Wegweiser der ...

... modernen europäischen Tanzkunst ist Thierry Malandain ein Meister der unterschiedlichsten Formen, für den freilich ein Aspekt immer gleich bleibt: Ob er abstrakte, erzählende oder klassisch inspirierte Inhalte vorstellt – Mensch und Tanz bilden Körper und Seele seiner sämtlichen Arbeiten.

Vom Malandain Ballet Biarritz kann sich das Publikum der Internationalen Tanzwochen am Mittwoch, 22. Januar 2020, 20 Uhr, selbst ein Bild machen. In der Stadthallte Neuss, Selikumer Straße 25, wird die vielgelobte Choreographie Noé aufgeführt – eine neue Deutung der Sintflut, für die Thierry Malandains Ensemble vom französischen Kritikerverband als „Beste Kompanie des Jahres 2017“ ausgezeichnet wurde.

Malandain, der 2019 an die Académie des Beaux-Arts berufen wurde, hat den biblischen Mythos von der Erneuerung der Natur und der Menschheit mit Gioacchino Rossinis zugleich opern- und bekenntnishafter Messa di Gloria verbunden und so eine ebenso brillante wie anrührende Choreographie geschaffen, in der die Hoffnung auf einen Neubeginn lange nachklingt.

„In der Legende von der Sintflut, die in den verschiedensten Traditionen und Religionen zu Hause ist, bezeichnet Noahs Jubel einen Durchbruch in der Menschheitsgeschicht“, erklärt Malandain. „Noah fasst das Vergangene zusammen, bereitet uns auf die Zukunft vor und versinnbildlicht also das Kommen einer neuen, besseren Welt.

Die erste Schöpfung, die durch die Machenschaften des Bösen und die Entartung der Menschheit verzerrt wurde, wird durch die zweite Schöpfung ausgelöscht. Der neue Adam kommt aus dem Wasser, nicht aus der Erde. Wenn Noah und seine Nachkommen die Arche verlassen, werden sie die Welt neu bevölkern.

Diese epische Geschichte gehört in eine lange Reihe ähnlicher Mythen und lässt sich auf verschiedenen Ebenen deuten. So wollte der heilige Augustinus zeigen, dass die Proportionen der Arche identisch sind mit denen des menschlichen Körpers, ›der auch der Leib Christi und somit der Leib der Kirche ist‹, wohingegen Paul Claudel die heilsbringende Arche als eine Kathedrale sah, die sich in ein Schiff verwandelte und gen Himmel fuhr.

Man kann sich Noé auch als Sinnbild eines Menschen denken, der die vergangene Existenz liquidiert, wieder bei null beginnt und aus den Tiefen seines Wesens neue Energien schöpft.

Aus diesem Grunde werden wir, außer der Taube – dem Hoffnungszeichen für ein neues Leben – keine Tiere einschiffen. Stattdessen wird die Bewegung der Menschheit durch die tanzende Symbolgestalt Noahs im Lichte einer neuen Sonne dargestellt.“

Das Malandain Ballet Biarritz besteht aus einem festen Ensemble von 22 Tänzern und Tänzerinnen, die allesamt klassisch ausgebildet, aber unverkennbar in der Gegenwart zuhause sind. Für Thierry Malandain steht der tanzende Körper in seiner Kraft, seiner Zerbrechlichkeit und seiner Sinnlichkeit immer im Vordergrund der Betrachtungen.

Das 1998 gegründete Malandain Ballet Biarritz tritt regelmäßig in ganz Frankreich auf, gastiert aber auch in zahlreichen Ländern Europas, ebenso wie im Nahen Osten, den Vereinigten Staaten und China. Das Repertoire des Ensembles enthält vor allem Choreographien von Thierry Malandain, der jedoch regelmäßig auch ausländischen Choreographen die Möglichkeit zur Mitarbeit gibt.

Malandain selbst tanzte als Solist an der Opéra Paris, am Ballet du Rhin Mulhouse und in Nancy. In seiner Karriere als Choreograph hat er über 80 Werke für zahlreiche Compagnien in aller Welt geschaffen. 2004 wurde Thierry Malandain für den Benois de la Danse im Bolschoi Theater Moskau nominiert. Der Ritter des Ordre des Arts et des Lettres war von 2000 bis 2004 Künstlerischer Leiter des Internationalen Tanzfestivals in Biarritz. Diese Tätigkeit nahm er 2009 wieder auf. In diesem Jahr wurde er (mit L’Envol d’Icare) zum zweiten Mal für den Kritikerpreis nominiert, den ihm die Juroren 2012 für Une Dernière chanson erneut zuerkannten. 2014 folgte der europäische Ballettpreis Taglioni für Cinderella in der Kategorie der »besten Choreographie«.

Thierry Malandain über sich selbst: „Meine Kultur und mein genetisches Erbe kommen aus dem klassischen Tanz, und diesem werde ich sicherlich auch verhaftet bleiben. Während ich gern zugebe, dass einige der künstlerischen und gesellschaftlichen Codes des klassischen Tanzes einer andern Zeit entstammen, so geben sie mir doch die Informationen, die ich brauchte, um diese Kompanie als einen Organismus zu behandeln und zu entwickeln. Wie man in allen lebendigen Zellen die DNA findet, die durch die Generationen weitergegeben wird, so mögen sich die Informationen im Laufe der Zeit verändern und zur Vielfalt der Arten und ihrer Evolution führen. Aus diesem Grunde lässt mein tänzerischer Stil Raum für Variationen. Während mich die einen als klassischen und die andern als einen zeitgenössischen Choreographen oder gar als geborenen Neoklassizisten betrachten, suche ich ganz einfach nach einem Tanz, den ich mag. Ein Tanz, der nicht nur Spuren des Vergnügens hinterlässt, sondern als Antwort auf die Schwierigkeit des Daseins auch das Wesen des Sakralen neu belebt.“

Tickets über die Karten Hotline unter 02131/52699999 oder über das Internet unter www.tanzwochen.de bestellt werden (zuzüglich Versandkosten und zwölf Prozent Vorverkaufsgebühr).

Bildunterzeilen: MALANDAIN BALLET BIARRITZ/Noé, Foto Olivier Houeix